Ich habe diese Woche für den beruflichen Kontext einen Kurs als Ersthelferin und Brandschutzhelferin absolviert, was mich auf die Idee gebracht hat, mich noch einmal im Allgemeinen mit den Themen Selbsthilfe, Selbstverteidigung und Selbstschutz als Frau auseinanderzusetzen. Zu wissen, wie man sich in bedrohlichen Situationen verhalten sollte und welche Tipps, Tricks und Angebote einem zur Verfügung stehen, halte ich für sehr sinnvoll und ich möchte an dieser Stelle mein Wissen mit euch teilen.
Natürlich erhebe ich keinen Anspruch auf Vollständigkeit – daher: Habt ihr selbst noch Ideen, Tipps, Angebote oder Ergänzungen zu meinem Artikel? Dann schreibt mir gern an kontakt@giannareich.de oder über Social Media und ich nehme euren Input mit hier auf. 🙂
Signal for Help: Ein stiller Hilferuf in bedrohlichen Situationen per Handzeichen
In manchen Situationen ist es schwierig, sich mit Worten auszudrücken oder um Hilfe zu bitten. Das Signal for Help wurde geschaffen, um Frauen in solchen Momenten eine stille Möglichkeit des Notrufs zu geben. Es kann besonders nützlich sein, wenn man sich in Situationen häuslicher Gewalt oder anderen bedrohlichen Umständen befindet, in denen der Täter unmittelbar zugegen ist.
Das Signal for Help ist einfach zu verstehen und kann weltweit angewendet werden. Es besteht aus einer spezifischen Handgeste, die anderen signalisiert, dass man sich in einer bedrohlichen Lage befindet. Um das Signal zu geben, hebst du unauffällig eine Hand in eine Höhe, die für andere sichtbar ist. Dabei sollten die Handinnenflächen nach außen zeigen. Lege dann den Daumen in die Handinnenfläche und schließe deine Hand zu einer Faust. (Quelle) Wenn du dieses Signal bei einer Frau siehst: Rufe sofort die 110.
Luisa ist hier!
Luisa ist ein Hilfsangebot für Frauen in der Partyszene, die aus einer unangenehmen Situation heraus möchten. Mit der Frage „Ist Luisa hier?“ können sich Frauen ans Personal von Clubs und Kneipen wenden und bekommen unmittelbar und diskret Hilfe. Die Frau entscheidet selbst, welche Hilfemöglichkeit sie in Anspruch nehmen will, z.B. ein Taxi oder Freunde/Freundinnen rufen. Die Kampagne wurde im Dezember 2016 vom Münsteraner Frauen-Notruf gestartet und ist mittlerweile in mehreren Bundesländern Deutschlands verbreitet.
Leider ist diese Initiative noch nicht überall bekannt. Solltet ihr euch also in einem Club unwohl fühlen oder belästigt werden, wendet euch IMMER an das dortige Personal. Viele Partys haben mittlerweile auch eigene Awareness-Teams und Angebote.
Das Heimwegtelefon
Das Heimwegtelefon ist ein Service bei dem du nachts anrufen kannst, wenn du dich auf dem Heimweg unwohl fühlst. Du wirst dann von einem*einer Ehrenamtlichen am Telefon bis nach Hause begleitet. Alternativ kannst du auch mit Freunden oder Verwanden telefonieren und z.B. über WhatsApp deinen Live-Standort teilen, bis du zu Hause bist. Biete auch deinen Freundinnen an, dass du sie auf diese Art bei Bedarf nach Hause begleitest.
Notfallkontakte & Notfallfunktionen deines Smartphones

Viele Smartphones bieten verschiedene Notfallfunktionen an, die aber je nach Modell und Hersteller sehr unterschiedlich sein können. Bei meinem Samsung Galaxy habe ich zum Beispiel die Möglichkeit, Notfallkotakte einzurichten und diese per Notfallfreigabe zu informieren (siehe Screenshot). Die Kontakte können zudem auf dem Sperrbildschirm angezeigt werden. Ebenso kann ich durch 5 Mal drücken der Funktionstaste an der Seite die 112 wählen. Und ich kann sogar medizinische Daten von mir im Handy speichern, auf die beispielsweise Sanitäter zugreifen können, wenn man besondere Krankheiten oder Allergien hat oder wer benachrichtig werden soll, wenn etwas passiert ist.
Informiere dich, welche Notfallfunktionen dein Smartphone hat, richte sie ein und teste sie. Spreche dich mit Freunden und Familie ab, wer deine Notfallkontakte sind und biete anderen an, ihr Notfallkontakt zu sein. Und natürlich informiere sofort die 110 oder 112, wenn du selbst so eine Notfallnachricht aus deinem Umfeld bekommst.
Allein im Taxi oder an der Haltestelle
Ein Taxi ist oft die bessere Alternative im Vergleich zum öffentlichen Nahverkehr, um abends sicher nach Hause zu kommen, aber manchmal fühlt man sich auch mit einem fremdem Mann als Fahrer im Auto nicht immer safe. Ich habe mir angewöhnt, dem Taxifahrer zu sagen, dass zu Hause bereits mein Freund/meine Mitbewohnerin/meine Familie auf mich wartet. Auch kann man das Kennzeichnen fotografieren oder das Namensschild und die Taxinummer, die oft vorn im Taxi kleben.
Alternativ kann man eine vorgefertigte Sprachnachricht abspielen, wo zum Beispiel eine Freundin oder ein Kumpel eingesprochen haben, dass sie dich bereits zu Hause erwarten und dich zum Beispiel an der Haltestelle abholen werden. Das eignet sich besonders, wenn man doch mal allein an einer Haltestelle steht oder im Bus sitzt und unangenehme Menschen um sich herum hat.
So oder so ist die Idee: Lass den Fahrer oder die Menschen um dich herum wissen, dass du erwartet wirst und jemand weiss, wo du gerade bist.
Mach in bedrohlichen Situationen auf dich aufmerksam per Autoalarmanlage
Stell dir vor, du bist abends allein irgendwo unterwegs und eine bedrohliche Person oder sogar Gruppe nähert sich dir. Wenn du das Gefühl hast, dir besteht eine bedrohliche Situation bevor, dann mach auf dich aufmerksam. Viele empfinden Scham, laut um Hilfe zu rufen, daher mein Tipp: Schau, ob Autos in deiner Nähe sind und fasse sie nacheinander an, um möglichst eine Autoalarmanlage auszulösen. Sei laut – das kann dein Gegenüber bereits abschrecken, da du die Aufmerksamkeit von Anwohnern und Menschen aus der Umgebung auf dich lenkst.
Legale Waffen und Hilfsmittel zur Selbstverteidigung
Die Bezeichnungen „legale Waffen“ oder „freie Waffen“ sind leicht irreführend. Denn die Tatsache, dass eine Waffe legal oder frei verkäuflich ist, bedeutet nicht automatisch, dass sie von jedem erworben und mitgeführt werden darf.
Waffen und Hilfsmittel, die man frei kaufen und legal mit sich führen kann:
- Pfefferspray (wenn es als Tierabwehrspray deklariert ist)
- Taschenalarm bzw. Taschensirenen
- Kubotan
- Elektroschocker mit Prüfsiegel
- Schlagstöcke oder Verteidigungsschirme
- Stricknadeln
- Baseballschläger
- Kleine Taschenmesser
Wer einen kleinen Waffenschein hat, kann unter Einschränkungen auch eine Schreckschusspistole mitführen. Was genau man mit sich führen darf und was zum Beispiel nur im privaten Bereich wie auf dem eigenen Grundstück oder in der eigenen Wohnung angewendet werden darf, kann von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sein.
Informiere dich am besten in einem Waffengeschäft oder bei einer lokalen Polizeistelle in deiner Stadt, was genau du mit dir führen darfst und was nicht bzw. wofür ein kleiner Waffenschein sinnvoll sein kann. Einen kleinen Waffenschein kann man bei der lokalen Polizei beantragen, insofern man gewissen Kriterien erfüllt.
Bitte bedenke: Der Umgang mit einer Waffe muss geübt sein, daher solltest du dich immer genau damit auseinander setzen, wie man was anwendet. Und auch Waffen bieten nie einen 100% Schutz. Je nach Situation kann die Waffe in die Hand des Angreifers gelangen und gegen dich selbst verwendet werden. Sei dir dessen immer bewusst und übe den Umgang mit dem Selbstschutzmittel deiner Wahl.
Hilfe im digitalen Raum durch Hate Aid
HateAid ist eine gemeinnützige Organisation, die sich für Menschenrechte im digitalen Raum einsetzt und sich auf gesellschaftlicher wie politischer Ebene gegen digitale Gewalt und ihre Folgen engagiert. Die Organisation bietet unterschiedliche Hilfsangebote an, zum Beispiel: Jemand hat dich in Hasskommentaren beleidigt oder bedroht, deine persönlichen Daten wurden ohne deine Erlaubnis online veröffentlicht, dir wurden ungefragt Nacktbilder geschickt, falsche Behauptungen werden in den sozialen Netzwerken über dich verbreitet, du wirst in Online-Gruppen angegriffen, jemand hat intime Aufnahmen von dir online geposte oder von dir wurde ein Fake-Profil mit deinen Bildern und persönlichen Infos erstellt.
Wie genau Hate Aid dir helfen kann, erfährst du auf ihrer Webseite.
Selbstverteidigungskurse
Es kann nie schaden, einen Selbstverteidigungskurs mitzumachen und diesen auch nach Jahren immer wieder aufzufrischen und in Übung zu bleiben. Wer solche Kurse anbietet, das kann ganz unterschiedlich sein. Man kann diese Kurse z.B. bei der Polizei machen, manche Universitäten bieten solche Angebote an aber auch andere Träger – das kann von Stadt zu Stadt variieren, daher verlinke ich hier kein konkretes Angebot. Aber: Informiere dich doch mal, wer in deiner Stadt solche Kurse anbietet und nimm am besten noch eine Freundin mit. Praktisch zu lernen und zu üben, wie man im Ernstfall handeln kann und vor allem ohne Waffen handeln kann, ist immer eine gute Sache und gibt dir mit Sicherheit auch mehr Selbstvertrauen.
Seid aufmerksam & solidarisch
Girls support girls sollte nicht nur eine Floskel sein. Daher achtet im Rahmen euer Möglichkeiten auch auf andere Frauen. Bekommt ihr zum Beispiel einen Konflikt zwischen einem Mann und einer Frau mit oder das eine Frau belästigt wird? Fragt nach, ob alles in Ordnung ist und bietet bei Bedarf eure Hilfe an bzw. dass ihr Hilfe rufen könnt. Wirkt eine Frau in einem Club orientierungslos oder stark betrunken? Sprecht sie an, ob alles ok ist, ob sie ein Wasser und/oder Taxi braucht. Setzt euch zu Frauen dazu, die abends allein im öffentlichen Nahverkehr fahren. Gebt euren Freundinnen ein Backup, wenn sie zum Beispiel einen neuen Mann für ein Date treffen, indem sie zwischendrin kurz schreiben, ob alles ok ist, sie gut nach Hause gekommen sind oder ihr Daten über den Typen habt wie Name, Foto, Kennzeichen, etc.
Seid einfach wachsam, wie es Frauen um euch herum geht – natürlich immer nur, wenn ihr diese Hilfe gerade auch leisten könnt. Und: Bringt euch selbst bitte niemals in Gefahr! Im Zweifel ruft ihr die 110 an, denn auch Hilfe holen und die Situation überprüfen zu lassen, ist Hilfe.
Weitere Quellen & Angebote
- Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“: 116 016
- Die anonyme Spurensicherung – Wie die verfahrensunabhängige Spurensicherung gewaltbetroffene Frauen unterstützt
- Telefonseelsorge: 0800 / 11 10 111 sowie 0800 / 11 10 222